Als Jusos Reinickendorf haben wir uns intensiv damit befasst, ob wir den eingeschlagenen Weg der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU unterstützen. Die Ergebnisse unserer Debatte stellen wir im Folgenden dar.
Linke Mehrheiten als gemeinsames Ziel
Einig sind wir uns, dass wir eine Koalition links der Mitte für Berlin bevorzugen. Auch wenn wir erkennen müssen, dass diese Koalition in der Zwischenzeit gescheitert ist, müssen alle Bestrebungen darauf gerichtet sein, linke Bündnisse wieder zu ermöglichen. Die nächsten dreieinhalb Jahre sind hierfür zu nutzen. Die aktuelle Diskussion dreht sich jedoch um die Frage, ob wir die besseren mittelfristigen Chancen für unsere Partei in einer Koalition mit der CDU oder in einer anderen Rolle sehen.
Minderheit sieht bessere Chancen für die Partei in Schwarz-Rot
Von einigen wird die GroKo der Opposition vorgezogen. Die SPD ist mit einem Gestaltungsanspruch zur Wahl angetreten. Dieser Anspruch ist in der Opposition nicht umsetzbar. Die Stadt steht nach der Corona- und Energiekrise vor großen Infrastrukturellen Herausforderungen. Der teils (un-)berechtigte Vorwurf, die Stadt würde nicht funktionieren, hat gerade bei unserer Zielgruppe bewirkt, Rot-Grün-Rot nicht zu unterstützen. Das zeigen die Verluste in sozial-schwachen Wahlkreisen sowie den Randbezirken. Es muss in den nächsten Jahren darum gehen, die Stadt für alle zum Laufen zu bringen und nicht, wie in der letzten Regierung, nur einzelne Leuchtturmprojekte voranzutreiben. Das Funktionieren der Verwaltung, die Ausstattung von Behörden, die Qualität von Schulen, der Ausbau von ÖPNV und eine gute Gesundheits- und Energieversorgung in öffentlicher Hand sind Herzensthemen der SPD, weshalb es auf unsere Regierungsbeteiligung ankommt. Es braucht die SPD in der Regierung, damit nicht ausschließlich die Interessen eines konservativen und eines Grünen bürgerlichen Klientels bedient werden.
Zudem zeigen uns Beispiele aus anderen Bundesländern, dass die Schwarz-Grüne Alternative langlebig ist. Für die SPD bedeutet das eine sehr lange Zeit im Abseits. Erneuerung in der Opposition ist ein Märchen, für das es keine Erfahrungswerte gibt. Das Gegenteil zeigte zuletzt Anke Rehlinger im Saarland. Auch in Berlin ist die Regierungsbeteiligung eine Chance, uns mit sozialdemokratischen Inhalten zu positionieren und dadurch die Grundlage für einen erfolgreichen Wahlkampf zu legen. Erste Ergebnisse aus den Koalitionsverhandlungen scheinen hierfür eine gute Grundlage zu sein. Eine Gelingensbedingung für Schwarz-Rot ist jedoch auch ein umfänglicher Erneuerungsprozess in der Partei.
Große Mehrheit spricht sich gegen GroKo aus
Die große Mehrheit hat sich dabei gegen eine Schwarz-Rote Koalition ausgesprochen. Nach dem von der CDU geführten Wahlkampf lässt sich keine gemeinsame Wertebasis erkennen.
Unserer Meinung nach wird eine Koalition mit der CDU zu weiteren Enttäuschungen in der Wähler*innenschaft führen. Wir befürchten, dass die CDU zur Sicherung des Roten Rathauses viele unserer Forderungen in den Koalitionsvertrag schreibt, um diese dann doch in der Tagespolitik zu blockieren. Mit der CDU ist allenfalls eine gemäßigte, aber keine linke Profilierung möglich. Die Hoffnung, als SPD das soziale Narrativ in dieser Koalition darzustellen, ist unrealistisch. Wir befürchten eine ruhige, geräuschlos vorbeigehende Legislaturperiode, um dann mit den gleichen (wenn nicht sogar schlechteren) Startbedingungen zur nächsten Wahl anzutreten.
Außerdem besteht die Gefahr, dass die CDU, ähnlich wie unter Merkel im Bund, unsere Positionen ausbremst und dann abgeschwächt als eigene Ideen und Erfolge verbuchen kann.
Stattdessen sollten wir die Opposition nicht als politische Bedeutungslosigkeit begreifen – auch in dieser ist Profilierung möglich. So können wir die Jahre bis zur nächsten Wahl nicht nur nutzen, um uns auch inhaltlich neu aufzustellen, um dann erneuert in den nächsten Wahlkampf zu starten, sondern auch, um uns als stärkste Oppositionskraft gegenüber den Berliner*innen zu profilieren.
Nach dem “Autowahlkampf” der CDU lässt sich auch nicht erkennen, dass diese zu den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen bereit wären. Wir müssen den ÖPNV stärken und ausbauen, statt uns auf das Auto zu fokussieren. Des Weiteren ist auch der Wille der jungen Generation in einer GroKo kaum abgebildet, da zusammengerechnet nur 23% der Wähler*innen bis 25 ihre Stimme den GroKo Parteien gegeben haben. Eine linke Mehrheit würde deutlich mehr junge Wähler*innen repräsentieren.
Besonders schwerwiegend ist für uns jedoch die Tatsache, dass die CDU zunehmend rechte und populistische Positionen aufgreift und vertritt. Sehr deutlich wurde dies im letzten Wahlkampf unter anderem durch die Forderung, das Landesantidiskriminierungsgesetz abzuschaffen oder Menschen mit Migrationsgeschichte im Namen der “Bekämpfung der Clankriminalität” weiter pauschal zu kriminalisieren. Dass es sich hierbei insbesondere um rassistische Motivation handelt, zeigte die Vornamen-Debatte in Folge der Gewalttaten in der Silvesternacht 2022. Alles Ideen, die dann unter Beifall der AfD aufgegriffen und unterstützt wurden. Fraglich ist, inwiefern solche Forderungen schon der DNA der CDU entsprechen. Es ist erschreckend, dass es sich scheinbar nicht nur um einzelne Personen handelt, die diese Aussagen tätigen, sondern diese in der CDU insgesamt breite Unterstützung erfahren. Auch sind es prominente Funktionsträger*innen, die diese Aussagen tätigen, die vorher mehrheitlich von den Mitgliedern in dieses Amt gewählt wurden. Es lässt sich also durchaus auf die ganze Partei rückschließen.
Für uns als antifaschistische Sozialdemokrat*innen sind solche Positionen und Äußerungen untragbar und überschreiten eine rote Linie. Auch, wenn einige dieser Aussagen wohl als populistische Wahlkampfaussagen beschrieben werden können, dürfen wir es nicht mit unseren Grundwerten vereinbaren, mit einer Partei zu koalieren, die „am rechten Rand fischt“ und sich dadurch immer weiter aus der politischen Mitte entfernt. Die CDU trägt dadurch zu einer Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses bei und normalisiert damit die zunehmenden Anfeindungen vor allem gegen Mitbürger*innen mit Migrationsgeschichte.
Wir als Jusos Reinickendorf sind mit großer Mehrheit der Überzeugung, dass mit der CDU keine Regierung gebildet werden darf und unterstützen die #nogroko Kampagne. Eine Schwarz-Rote Koalition ist weder für Berlin noch die Partei der richtige Weg und mit unseren Grundwerten nicht vereinbar.